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Workshop „Institution – Performanz – Ding"
Ort: Forum Internationale Wissenschaft, Bonn
Institution – Performanz – Ding.
Kontexte neuer Institutionenforschung
Interdisziplinärer Workshop am Forum Internationale Wissenschaft der Universität Bonn (Heussallee 18 – 24, Altbau)
Dass, wo von ‚Institution’ die Rede ist, nicht in erster Linie organisationelle Funktionszusammenhänge gemeint sein müssen, ist in den Geistes- und Kulturwissenschaften inzwischen Konsens. So hat sich schon in der Arbeit des SFB ‚Institutionalität und Geschichtlichkeit’ (1997–2008) eine Theorie des Institutionellen im Kontext größer dimensionierter Verbundforschung als wirksame Klammer erwiesen, die den disziplinären Blick auf interdisziplinäre Zusammenhänge weitet und es erlaubt, kultur- und geisteswissenschaftliche Methoden mit empirisch-soziologischer Forschung produktiv zu koppeln.
Beim Versuch, das Spektrum sozialwissenschaftlicher und kulturwissenschaftlicher Konzepte des Institutionellen abzubilden, stellt sich freilich das Feld als im Detail höchst heterogen dar. Das gilt sowohl für den avisierten Gegenstandsbereich – mit ‚Institution’ werden soziale Praxen, frames und scripts ebenso rubriziert wie durch Eigenräumlich- und -zeitlichkeit gekennzeichnete Funktionszusammenhänge. Frühe anthropologische Ansätze beschreiben Formen der Komplexitätsreduktion als Institution und betonen die Entlastungsfunktion von Institutionalisierungen (Gehlen, Schelsky). In der Folge verstehen etwa Berger/Luckmann jegliche Form sozialer Normen als Institution. Diese Ansätze formalisierend wurde Institutionalisierung als Vollzug von verstetigenden (und auch transformativen) Prozessen begriffen (Melville/Vorländer; Rehberg): Für die Stabilität von kulturellen Ordnungen – so die Annahme – sind nicht nur deren funktionale Momente bedeutsam, sondern auch solche, in denen ihre Geltungsansprüche symbolisch zum Ausdruck gebracht werden. Der theoretische Rahmen öffnet den Blick dafür, dass Geltung nicht je schon stabil und garantiert ist, und er ermöglicht eine Analyse der Voraussetzungen, unter denen Geltungsansprüche verhandelt werden und ggf. durchgesetzt werden können. In rechtshistorischer und -philosophischer Wendung erlaubt die lateinische Formel des „vitam instituere“ eine psychologische und sozialtheoretische Radikalisierung des Begriffs; Institutionen geben dem Menschen als Sozialwesen nicht mehr nur einen Rahmen, sie machen sein Leben allererst möglich (Legendre). Der frühe Luhmann beobachtet Institutionen als „Gegenwartsbezüge des Vergangenen, Übersetzungsinstanzen des Heterogenen“, die „die Diskontinuitäten von Vergangenheit und Zukunft in und durch die jeweilige(n) Kontinuität(en) von Gegenwart(en) übersetzen“.
Zentral für die verschiedenen Konzepte des Institutionellen, die der Workshop miteinander in produktive Interferenz bringen will, ist die Vorstellung der Iterabilität und tatsächlichen Iteration von Akten, die Institutionalität nicht nur begründen, sondern – im Sinne Hannah Arendts – gerade auch zu ihrer Verstetigung und Persistenz beitragen. Als performative Akte bestätigen sie Institutionalität nicht nur, sie bringen sie im Vollzug auch immer wieder hervor. So bietet es sich an, im Kontext einer Auseinandersetzung mit ‚Institution(alisierung)’ auch Konzepte des Performativen ins Spiel zu bringen und zu erproben, wie eine performativitätstheoretische Konturierung konkreter Praxen und Strategien von/in Institutionen Perspektiven für deren Analyse bereitzustellen in der Lage ist (dazu Rehberg, Diehl u.a.). Insbesondere ist danach zu fragen, wie institutionelle Stabilisierung und die Transformationsfähigkeit von Institutionen durch die performative Konstruktion von Eigenräumen und Eigenzeiten gesichert werden können.
Die Debatte zu Begriffen und Modellen von Institutionalität ist darüber hinaus hinsichtlich der Rolle von Dingen in Institutionen produktiv weiterzudenken. Im Ausgang von grundlegenden dingtheoretischen Vorannahmen (Bedeutungsdinge; Dingsozialität; Heidegger, Appadurai, Kopytoff, Latour, Roßler) stellt sich komplementär zur Dynamik und Prozessualität von Institutionalität auch die Frage nach der Widerständigkeit und Handlungsmacht der in Institutionen wirksamen Dinge und danach, wie deren Biographien mit denen anderer Akteure interferieren.
Programm
- Juni
13.30 Uhr: Ankunft/Begrüßung
14.00 Uhr: Julia Stenzel
Einführung
14.15 Uhr Bianca Michaels
Von Bürgerbühnen und Stadtprojekten: Neu-Formatierung als Symptom des in- stitutionellen Wandels im gegenwärtigen deutschen Stadt- und Staatstheater
15.15 Uhr Hanna Voss
Institution und Differenzproduktion: Theater zwischen Reproduktion und Transgression körperbasierter Humandifferenzierungen
16.15 Kaffee
16.30 Uhr Wolf-Dieter Ernst
Institutionelle Dramaturgie und digitale Oper. Wahrnehmungskonventionen im Wechselspiel der Medien
17.30 Uhr Julia Stenzel
Dinge im Prozess. Institutionalisierung zwischen script und Strategie
19.00 Gemeinsames Abendessen
- Juni 2019
9.00 Uhr Céline Molter
Die Dinge der Passion und ihre Menschen
10.00 Uhr Kaffee
10.15 Uhr Dominic Zerhoch
Doing site-specific. Raum(re)produktion nach Lefebvre am Beispiel des Oberammergauer Gelübdes. Ein Werkstattbericht.
11.15 Uhr Jan Mohr
Ereignis, Wiederholung, Struktur. Institution als Verlaufsform
12.15 Uhr Schlussdiskussion
13.00 Uhr Imbiss
14.30 –
18.00 Uhr Internes Kolloquium ‚Institutionalität’ des Oberammergau-Projekts